Die römische Autorin Francesca Melandri ist eine der wichtigsten italienischen Autorinnen der Gegenwart. Spätestens mit ihrem Roman »Alle, außer mir« wurde sie auch im deutschsprachigen Raum bekannt und schon in diesem Buch hat sie das Verdrängen in der Nachkriegszeit behandelt, alte nationale Wunden aufgerissen – und so eine öffentliche Diskussion über den italienischen Kolonialismus in Afrika angestoßen.Ihr neues Buch »Kalte Füße« beginnt wieder in der eigenen Familie, diesmal schildert sie die Erinnerungen an den sogenannten »Rückzug aus Russland«, der „Ritirata di Russia“ 1942/43.
Mit dem Verfolgen der Nachrichten über den Überfall Russlands auf die Ukraine dämmert ihr langsam, dass ihr Vater Franco Melandri eigentlich dort und nicht in Russland gewesen sein muss! Die Kriegsorte von damals und heute sind fast dieselben – und der Kommandositz der Alpini befand sich zwischen Donezk und Don. Alpini waren die italienischen Gebirgsjäger, die wiederum die Verbündeten der Mörder des Massakers von Babyn Jar waren …
Melandri beginnt in Gedanken und schreibend den Vater zu befragen, sie spricht ihn direkt in der Du-Form an. In einem bitter-ironischen Ton zerpflückt sie die »ehrwürdige, innerfamiliäre Saga« und konfrontiert ihn im Nachhinein mit den tatsächlichen Ereignissen.
Kalte Füße
v. Francesca Melandri
Wagenbach