In den 70ern war die Welt für queere Menschen alles andere als offen. Öffentliche Akzeptanz? Kaum. Doch in den Underground-Clubs von New York, San Francisco und Chicago entstanden geschützte Räume – Orte der Freiheit, an denen Menschen unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder sexueller Orientierung einfach sein konnten. Der Soundtrack dieser Befreiung? Disco! Hier entstand das, was wir heute als Clubkultur kennen. Die queere Ballroom-Szene, vor allem in Harlem, war ebenso eng mit der Disco-Kultur verwoben. Die Tanzstile, die später in den 80ern durch Voguing bekannt wurden, hatten ihre Wurzeln in den Disco-Clubs der 70er.
Ein Name, den wir nicht vergessen dürfen: Sylvester. Mit "You Make Me Feel (Mighty Real)" lieferte er nicht nur einen absoluten Dancefloor-Klassiker, sondern ein Aushänge-Lied für die ganze Queer-Community. Die unverkennbare Stimme, das extravagante Auftreten – Sylvester war eine Ikone durch und durch, er starb leider an den Folgen von Aids, doch seine Musik und Revolution lebten weiter. Er arbeitete auch eng mit seinem Freund, Patrick Cowley, zusammen. Cowley galt als einer der Pioniere des Hi-NRG-Sounds, welcher Disco mit futuristischen, elektronischen Beats bereicherte. Auch er verstarb an den Folgen seiner AIDS-Erkrankung. Sein Song "Menergy" wurde zur queeren Clubhymne und ebnete den Weg für spätere Dancefloor-Hits.
Doch nicht alle feierten Disco. 1979 eskalierte die "Disco Demolition Night" in Chicago – ein Baseballspiel, bei dem tausende Disco-Platten verbrannt wurden. Auf den ersten Blick eine Ablehnung der Musik – doch dahinter steckte mehr. Die Anti-Disco-Bewegung hatte oft rassistische und homophobe Untertöne, denn Disco war die Musik Schwarzer, Latinx- und queerer Kunstschaffenden. Ihr Erfolg bedrohte die weißen Rock-dominierten Charts – und damit bestehende Machtstrukturen.
Genauso wie die Queere Community schweißte jeder Tiefschlag die Disco Szene mehr zusammen und machte sie stärker. Lauter. Disco überlebt bis heute – in House, in elektronischer Musik oder im modernen Pop. Künstlerinnen wie Lady Gaga, Beyoncé oder Dua Lipa brachten den Sound zurück in den Mainstream. Offen queere Artists wie Róisín Murphy oder Jake Shears von den Scissor Sisters zelebrieren alles an Disco und zeigen, wie laut, bunt und vielfältig der queere Einfluss im Genre weiterlebt. Ein ebenso legendärer Track, der das glamouröse und selbstbewusste Disco-Feeling zurückbrachte, stammt von Todrick Hall mit "Nails, Hair, Hips, Heels".
Disco war mehr als nur ein Musikgenre – es war eine Bewegung der Befreiung, Selbstentfaltung und Akzeptanz. Die LGBTQIA+-Community prägte den Sound, die Ästhetik und die Clubkultur entscheidend. Viele der großen Disco-Hits wurden in queeren Clubs geboren und gefeiert. Und so lebt Disco weiter – auf der Tanzfläche, in den Herzen der Community und in der Musik, die wir heute hören. In diesem Sinne: Keep dancing, keep shining, keep Disco! Mehr hört ihr, wenn ihr reinhört!