CLUB KULTUR | Folge #141 | DER ARTIKEL ZUM PODCAST
„Tequila mit Salz & Zitrone?“
Wien, 21. August 2025
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DER EINFACHE WEG
Der Wiener Spätsommer gleicht einer einzigen Endlosschleife: egal ob Donaukanal, Dachterrasse oder Wiese – der Soundtrack zum Abgesang ist nahezu identisch. DJs, die sich äußerlich zwischen urbanem Hipster und Hochzeitsbeschaller bewegen, bekleben die Stadt mit einem stromlinienförmigen Einerlei, das für die einen Tanzfläche bedeutet und für die anderen Fluchtreflex. Musik zum Davonlaufen, verkleidet als Musik zum Tanzen. Man könnte böse meinen: Es wird Zeit, dass die Temperaturen wieder sinken. In einem interessanten Podcast hörte ich unlängst darüber, dass es bei uns auch daran liegen mag, dass elektronische Musik nicht in die Gesellschaft findet. Die Höhepunkte sind Schlagernächte und sonstige Schlichtheiten – vor allem, was die Medienarbeit anlangt. „Starnacht“ hier und da für Letztwähler ist omnipräsent; wer Elektronik in den Medien sucht, wird meist erst nachts um 2 irgendwo auf Arte fündig. In anderen Ländern wird die elektronische Musik, die ja zweifelsohne die Zukunft ist, ganz anders gefördert – und darum auch die schier unendliche Festivalanzahl in Holland und Belgien. Und selbst beim Nachbarn gibt es überall, in jeder Kleinstadt, ein Festival.
Hierzulande? Zieht euch weiß an und tanzt zu Trallala. Danke, Ö3!
DER VERSPERRTE WEG
Dass Wien zum Ende des Sommers immer wieder seine Schattenseiten offenbart, zeigt die Absage von Niki Mautners Groove Top 2 am Dach des Neni im Prater. Offiziell war es zu laut, inoffiziell bleibt vieles im Dunkeln: War es Konkurrenzneid, bürokratische Pedanterie oder schlicht eine unerbittliche Behörde? Fakt ist: Die Fortsetzung findet nicht statt. Die Party blieb eine Sternschnuppe. Ein Umweg, der symptomatisch wirkt für eine Stadt, die ihre Subkultur gern bewundert, aber ungern duldet. Dafür kommt ja jetzt wenigstens der Song Contest…
DER GEDÄMPFTE WEG
Auch im Gleis 19 bleibt es vorerst etwas leiser, also noch am Anfang des Sommers. Aber: Die Gespräche mit der Magistratsabteilung laufen, man hofft auf gute Ergebnisse, die den Lautstärkeregler irgendwann wieder nach oben drehen lassen. Bis dahin: gedämpfter Optimismus und kein Interview. Vielleicht wurde ja schon zu viel geredet – lassen wir es mal ruhen...
DER NEUE WEG?
Im Schönbrunner Schlosspark bzw. dem Ehrenhof wirft das Open-Air-Konzert von Paul Kalkbrenner seine langen Schatten voraus. Die Veranstalter melden erfreuliche Ticketverkäufe – es gibt nämlich keine mehr. Parallel dazu hat das Club O im 1. Bezirk sein Herbstprogramm vorgestellt – eine Art Überbietungswettbewerb, der fast schon nach satirischer Kapitalismuskritik riecht. Fatboy Slim, Klangkarussell, Lilly Palmer – Namen, die beweisen sollen, dass das Geld nicht abgeschafft wurde, sondern hier noch arbeitet. Die neue Serie „Signal“ soll den Herbst einläuten, flankiert von einem geplanten Mini-Festival in der Vösendorfer Pyramide. Man könnte meinen, der Subtext lautet: Wer nicht klotzt, fällt aus dem Raster. Die Pyramide ist aber auch wirklich eine Neuentdeckung…
DER DUNKLE WEG
Noch dunkler wird es in der Innenstadt. „Der Standard“ berichtete jüngst über den Umbau des ehemaligen Rosenberger-Restaurants auf der Kärntner Straße. Dort soll ein neuer VIP-Nachtclub entstehen. Pikant ist weniger die noble Adresse, sondern die Logistik: Mitte Juli fuhr ein weißer Lieferwagen mit ukrainischem Kennzeichen und der Aufschrift „Humanitarian Aid“ vor. Statt Hilfsgütern für die Ukraine wurden Möbel ausgeladen – direkt ins zukünftige Etablissement. Als sei das nicht schon grotesk genug, kam es zeitgleich in der Tiefgarage des Hauses zu einem Vorfall mit einem ehemaligen O-Betreiber, dessen betuchter ukrainischer Partner nun seine Wampe in Marbella knusprig brät. Die (neuen) Betreiber schweigen, die Behörden sehen genauer hin. Was bleibt, ist eine Mischung aus Kriminalstück, geopolitischer Groteske und Wiener Nachtleben – alles auf einer Bühne. Und die Devise: Leg dich nicht mit jedem ins (geschäftliche) Bett. Diese geklonten Dinner-Dance-Kleschn warten auch immer sehr sympathisch…
DER FLÜSSIGE WEG
Und schließlich der Liquid Market, heuer mit besonderer Bedeutung: Das Festival der Trinkkultur feiert sein zehnjähriges Bestehen. Was einst als Experiment begann – ein Klassentreffen für Barkeeper und Spirituosen-Liebhaber – hat sich zum größten Cocktail-Event der Stadt entwickelt. Austragungsort ist diesmal erstmalig das Otto-Wagner-Areal, ein Schauplatz, der selbst wie ein Symbol wirkt: Zwischen Jugendstil und urbaner Industriearchitektur entfaltet sich ein Fest, das von der Vielfalt der Bars, den internationalen Gästen und einer gewissen Selbstinszenierung lebt. Über 80 Bars, unzählige Drinks, Workshops, Tastings – ein Ereignis, das die Barkultur als gesellschaftliches Ereignis begreift. Doch die Ironie bleibt: Zwischen kunstvollen Mixgetränken, Social-Media-tauglichen Momenten und der Suche nach Authentizität schwingt auch hier der Ton einer perfekt kuratierten Inszenierung mit. Ein Festival wie ein Spiegel – glitzernd, verführerisch, aber auch selbstbewusst im Wissen um die eigene Oberfläche. Und mittendrin: Viele DJs und Side-Events. Gewinnt 2 x 2 Tickets, wenn ihr die Frage richtig beantwortet.
Die nächste Ausgabe gibt's in zwei Wochen am 04. September 2025.
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