Sibyl’s Vergangenheit ist selbst keine einfache. Sie ist trockene Alkoholikerin, die es mit Mühe geschafft hat, sich von der daran verstorbenen Mutter und der verkrachten Existenz der Schwester zu lösen. Diese allerdings spielt eine eher ambivalente Rolle in ihrem gegenwärtigen Leben. Als Tante von Sybils Kindern ist die Frau nämlich gänzlich ungeeignet.
In der Situation von Schauspielerin Margot sieht Sibyl sich ein Stück weit selbst gespiegelt. Genau wie sie stammt sie aus schwierigen Verhältnissen und steht nun vor der Entscheidung ein Kind zu bekommen, das sie von ihrem Schauspielkollegen Igor erwartet. Der wiederum ist aber eigentlich mit Regisseurin Mika zusammen, die sich in Igor zu ihrem Erstaunen ordentlich getäuscht hat. Als Sibyl nach einem Selbstmordversuch von Margot ans Set am Fuße des Vulkans Stromboli gerufen wird, trägt das kurzfristig zur Entspannung bei, bevor die Lage dann völlig eskaliert.
Die Regisseurin Justine Triet hat mit ihrem vor allem in Frankreich enorm erfolgreichen Film „Victoria“ vor vier Jahren den Durchbruch geschafft. Bereits damals mit dabei die Hauptdarstellerin in ihrem neuen Komödien-Drama Sybil: Virginie Efira. Die Belgierin spielt auch dieses Mal wieder die Titelrolle und beeindruckt nicht nur durch emotionale Tiefe, sondern auch durch einen Sinn für subtile Komik.
Ebenfalls für herrlich komische Momente sorgt die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller, bekannt aus der Komödie „Toni Erdmann“. Sie bewegt sich mit ihrer Darstellung der hysterischen Regisseurin Mika elegant auf dem schmalen Grat der Outrage, verfällt dabei aber nie ins Karikaturhafte.
Die recht rasche Schnittfolge mag im ersten Drittel des Films manchmal irritierend sein, insgesamt ist Justine Triet aber eine wunderbare Filmperle geglückt, die letztes Jahr im Hauptbewerb von Cannes gelaufen ist.
Sybil. Ab 24.7. im Kino. Johannes Rhomberg