Das Leben der Familie Woo in einem Armenviertel von Seoul ist hart. Jedes Familienmitglied kämpft sich von McJob zu McJob, zum Beispiel Pizzakartons für einen Lieferanten falten. Wenn der Insektenjäger auf der Straße sein Gift versprüht, lässt man gleich die Fenster offen, damit die Kakerlaken in der Wohnung mit draufgehen, und für den Internet-Zugang muss man die beste Position im Raum finden, um heimlich ins Netz der Nachbarn einzusteigen.
Kein Wunder also, dass Ki-Woo den Job als Englisch-Nachhilfelehrer für die Tochter der superreichen Familie Park sofort annimmt. Um den zu bekommen, muss er sich die Wirklichkeit mit den Grafikkünsten von Schwester Ki-Jung allerdings erst mal zurecht biegen. Ki-Jung ist auch die Erste aus seiner Familie, der er ebenfalls eine Stelle bei seinem neuen Arbeitgeber verschafft. Sie heuert unter falschem Namen als Kunst-Lehrerin für den kleinen Sohn an.
Durch geschickt gesponnene Intrigen entfernen sie nach und nach den Chaffeur und die Haushälterin, deren Stellen Mutter und Vater besetzen. Der Traum vom sozialen Aufstieg scheint geschafft. Doch im Keller des Hauses verbirgt sich ein Geheimnis, das das ganze Lügengebäude zum Einsturz zu bringen droht.
Die südkoreanischen Filmemacher rücken ihren Reichen auf die Pelle. Und zwar nicht nur mit großer Kunstfertigkeit, sondern auch äußerst unterhaltsam. Bereits im Juni ist Lee Chang-Dongs Arthouse-Thriller „Burning“ gelaufen, der im Vorjahr beim Filmfestival in Cannes in einer Nebenschiene triumphiert hat. Und jetzt folgt also „Parasite“, der im Mai dieses Jahres als erster südkoreanischer Film den Hauptreis in Cannes gewonnen hat. Regisseur Bong Joon-Ho findet faszinierend griffige, dabei aber immer unaufdringlich in die Handlung sich einfügende Metaphern für den Klassenkampf 2.0. Etwa wenn der selbe Regen, der im Reichenviertel die Luft reinigt, im Armenviertel für existenzvernichtende Überschwemmungen sorgt. Oder der wohlstandsverheißende Stein Ki-Woo ganz wortwörtlich als zentnerschweres Gewicht auf dem Herzen liegt.
Dass „Parasite“ bei aller Gegenwartsdurchdringung trotzdem sehr unterhaltsam und mit subtilem Humor daherkommt, macht ihn zu einem der absoluten Kino-Highlights des Jahres.
Parasite. Ab 18.10. im Kino. Johannes Rhomberg