Weil sie vorgibt, ohne Ausbildung zu sein, bleibt Marianne nur der Einstieg in die Arbeitswelt als Putzfrau. Die Einschulung besteht in erster Linie darin, sich an schlechte Behandlung und unterwürfiges Verhalten zu gewöhnen. So ganz kann Marianne dann aber nicht aus ihrer Haut, also ist sie den ersten Job in null komma nichts los. Denn beschweren über ungerechte Behandlung ist in diesen Sphären nicht drin.
Als Bestrafung gibt es dann vom Arbeitsamt nur noch den härtesten Putzjob der Welt: auf einer Passagierfähre. Gleichzeitig erfhährt sie aber mit ihren Arbeitskolleginnen einen starken Zusammenhalt. Zwischen ihr und der Alleinerzieherin Christèle ensteht gar eine enge Freundschaft, die aber umso gefährdeter scheint, je länger Marianne ihre wahre Identität verheimlicht.
„Wie im echten Leben“ war ein Herzensprojekt von Hauptdarstellerin Juliette Binoche. Um den Film überhaupt machen zu können, musste sie lange auf die Autorin der Vorlage einwirken. Die Journalistin Florence Aubenas hat 2010 nämlich tatsächlich ein Buch über die untragbaren Zustände in Frankreichs Putz-Prekariat herausgebracht. Prompt wurde der Produktion die Dreharbeiten auf Fähren der Brittany Ferries verweigert, weil die Firma in dem Buch von Aubenas äußerst schlecht wegkommt.
Als Herausforderung stellte sich auch die Vorgabe heraus, außer Binoche nur Laien zu besetzen, die die Erfahrungen selbst durchgemacht haben. Diese haben allerdings alle Beteiligten hervorragend gemeistert. Auch wenn der Film die ein oder andere Länge aufweist, ist er ein starkes Plädoyer dafür, dort genauer hinzuschauen, wo die neoliberalen Deregulations-Exzesse seit den 90-er Jahren ein neues Proletariat geschaffen haben, das immer noch keine wirksame Vertretung hat.
Wie im echten Leben. Ab 30.9. im Kino. Johannes Rhomberg