Eben dieses Damoklesschwert fällt nach einer Affäre mit einem Kommilitonen auf Anne herunter. Ein Kind würde das Ende vom Traum des Studienabschlusses bedeuten, und damit die Möglichkeit auf ein Leben jenseits der provinziellen Mittelschicht-Enge, aus der Anne stammt. Sie versucht, sich Hilfe zu holen. Doch der Zeitgeist hält nichts von der Selbstbestimmung der Frauen über ihren Körper. Und das Gesetz erst recht nicht.
Ganz im Gegenteil ist dessen Zwang selbst in das Bewusstsein derer eingedrungen, die es betrifft. Nach und nach wenden sich darum selbst Annes Freundinnen von ihr ab. Und von ihrer Affäre ist erst recht keine Hilfe zu erwarten. Doch Anne gibt nicht auf. Und sieht sich dadurch gezwungen, den Weg in die Illegalität zu gehen.
„Das Ereignis“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Annie Ernaux, den sie bereits im Jahr 2000 veröffentlicht hat, und der seit letztem Jahr auch auf Deutsch vorliegt. Regisseurin Audrey Diwan legte bei ihrer Arbeit besonderen Wert darauf, dass der Zuseher die Welt aus der Perspektive ihrer Protagonistin sieht, statt die Protagonistin zu betrachten. Darüber hinaus ging es Diwan weniger darum, einen zeitgeschichtlichen Film zu machen, sondern die Universalität der Story herauszuarbeiten. Was macht es mit den Menschen, wenn das Gesetz die freie Entscheidung über den eigenen Körper unmöglich macht? Eine Frage, die auch Männer nachvollziehen könnten, wie sie meint.
Auch wenn „immersiv“ schon fast zum Modewort geworden ist, Diwans Film beschreibt das Attribut sehr treffend. Zu verdanken ist das auch Newcomerin Anamaria Vartolomei, die für ihre Rolle als Anne bereits mehrfach ausgezeichnet worden ist. Und bei den Filmfestspielen in Venedig gab es letztes Jahr den Goldenen Löwen als bester Film.
Das Ereignis. Ab18.3. im Kino. Johannes Rhomberg