Die ab dem 16. Jahrhundert aus Westafrika in die USA verschleppten Sklaven werden von den Plantagenbesitzern christianisiert. Gleichzeitig ist die Form der spirituellen Praxis, die die Afrikaner aus ihrer Heimat mitbringen, stark von Musik und Tanz geprägt. In der Vermischung der christlichen Religion mit der schwarzen spirituellen Tradition entsteht die Black Gospel Music, die der Ursprung der Soul Musik ist.
Diese Vermischung findet nur in den USA statt, in anderen Weltgegenden, in denen in dieser Zeit ebenfalls Sklaverei herrscht, findet sie nicht statt. Die Soul-Musik konnte also in dieser Form nur in den USA entstehen.
Bei den Gottesdiensten wird rhythmisch geklatscht und mit den Füßen gestampft, Wiederholungen von Refrains und Call and Response sind wichtige Stilmittel, weil sie auch Analphabeten die Teilnahme an Gesängen ermöglichen. Gleichzeitig ermöglichen sie gemeinsam mit dem erhöhten Tempo das Eintauchen in einen Trance-Zustand. Für die puritanischen Amerikaner ist diese musikalische Form der spirituellen Praxis Blasphemie. Darum finden die Gospel Messen meist im Verborgenen statt. Die Gottesdienste werden zu dem einzigen Ort, an dem echte Gefühle geäußert werden können.
Eine Sonderform der Gospels sind die sogenannten Work Songs, die während der harten Arbeit auf den Plantagen gesungen werden, um durch den Rhythmus die Arbeit erträglicher zu machen. Bereits 1779 schreibt der englische Autor John Newton einen der berühmtesten Gospel Songs überhaupt: Amazing Grace. Newton ist Mitglied in der anglikanischen Kirche, aber sein Engagment in der Anti-Sklaverei-Bewegung bringt es mit sich, dass sein Werk auch von der afro-amerikanischen Community rezipiert wird.
Die Sklaverei endet mit dem Sieg der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg 1865. Und auch wenn die Unterdrückung der Schwarzen damit nicht zu Ende ist, müssen doch zumindest die Gospels nicht mehr im Verborgenen gesungen werden. Und in dem selben Maße, in dem die Welt sich für die Gospels öffnet, öffnen sich auch die Gospels für die Welt. Und diese weltliche Ausprägung ist das, was wir als Soul Musik quasi religiös verehren.
Johannes Rhomberg