Als erstes Neo-Soul-Album gilt heute Me’Shell N’dege Ocellos 1993 erschienenes Plantation Lullabies. Die vom Hip-Hop beeinflussten, klar geschnittenen Beats, die vom Jazz beeeinflussten Akkordfolgen und die smoothen Vocals erzeugen eine relaxte, sanft groovende Atmosphäre, die die Grundzutat des Neo Soul wird. Zwei Jahre später betritt der Sänger D’Angelo mit seinem Debüt Brown Sugar die Bühne. Dieses Album ist bereits ein Markstein des Neo Soul und etabliert D’Angelo als einen seiner wichtigsten Protagonisten. Deutlich hörbar bei ihm ist der stimmliche Einfluss von soul-Größen wie Marvin Gaye, Stevie Wonder oder Gil Scott-Heron.
Der Begriff Neo Soul wird geprägt von Kedar Massenburg, seines Zeichens Ex-Chef von Motown. Der signt für sein eigenes Label Kedar Entertainment als eine der ersten Artists eine gewisse Erykah Badu und produziert ihr Debüt Baduizm, das 1997 erscheint. Das gilt heute als einer der Meilensteine des Neo Soul. Oft sind beim Neo Soul gar keine Gitarren mehr im Line-up zu finden, sondern nur Drums, Bass und Keys. Nicht allerdings bei Maxwell. DEr zeigt auf seinem 1996 erschienen Debüt Urban Hang Suite, wie auch sie im modernen Sound-gewand ihren Platz findet.
Zwei Jahre darauf veröffentlicht Lauryn Hill ihr Solo-Debüt, das man wohl mit Fug und Recht als Höhepunkt des Neo Soul bezeihcnen kann. Die Sängerin hat zuvor mit der Rap-Formation The Fugees Erfolge gefeiert hat, sich dann nicht gerade friktionsfrei von der Gruppe getreennt. Ihr Album The Miseducation of Lauryn Hill wird so nicht nur ein musikalisch, sondern auch textlich sehr persönliches Statement, in dem sie die Geburt ihres Kindes feiert, aber auch mit den ehemaligen Band-Kollegen abrechnet. Der Neo Soul ist also die sehr persönliche Aneignung einiger musikalischer Individualisten ab Beginn der 1990er Jahre, die das Soul-Erbe durch ihren eigenständigen künstlerischen Zugang durchscheinen lassen.
Johannes Rhomberg