Club Kultur | Folge #008 | DER ARTIKEL ZUM PODCAST
"Das lange Warten auf die Party"
Wien, 16. Juli 2020
Lostag 1. August
Alle Clubs und Nachtlokale warten gespannt, ob dieser Tage der lang ersehnte Erlaß des Gesundheitsministeriums zum schrittweisen Hochfahren kommt. Die Bedenken sind groß, denn die Zahlen der Infizierten sind wieder vierstellig, doch scheinen auch die Verläufe weniger schwer als noch vor einigen Monaten. Maximal 200 Personen, ansonsten 50 Prozent der erlaubten Kapazität und Sperrstunde bis 4 Uhr, dazu strenge Hygiene und Sauberkeitsmaßnahmen werden aber wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein und es steht zu befürchten, daß viele Clubs nun wohl noch länger auf Fremdveranstalter verzichten werden, um irgendwie zu überleben.
Rudi Wrany im Gespräch mit Tomagan (l) und Fabiano (r)
Clickbait Facemag
Unterdessen bekam ich einige aufgeregte Anfragen von deutschen Agenturbetreibern, die dem Fazemag Magazin entnahmen, dass es in Österreich wieder richtig los geht. Da wird von 10000 Personen Events outdoor und von 750 indoor geträumt. Ja, aber mit Bestuhlung und Abstand. Journalismus geht anders, denn „Events“ sind mannigfaltig gliederbar. Parties, Raves und Musikfestivals mit Körperkontakt gehören da nicht dazu. Wir müssen weiter warten.
Canale fatale
die wilden Parties am Donaukanal haben sich ein wenig verlagert. Man bleibt am Wasser, nur wechselt man an die große Donau, doch die vielen Videos, die viral gehen, sind mehr Fluch als Segen. Sämtliche Veranstalter der open air Sausen hüllen sich in Schweigen, denn keiner mag für neuerliche Cluster verantwortlich sein. Die meisten innerstädtischen Clubs setzen auf verschönerte Terrassen und Gärten verziert mit Djs, die für niedrige Gagen viele Stunden Hintergrundgeplätscher abliefern: Man ist bescheiden geworden. Laut darf keiner sein, denn auch oder gerade jetzt gibt es die bösen Nachbarn
Was wurde aus dem FLEX?
Wenn man über den Kanal schlendert, hört man auch die Beats von der FLEX Terrasse, da fallen einem die vielen durchtanzten Nächte in den Nullerjahren in Wiens legendärem Club ein. Mittlerweile ist es ruhiger geworden, fast zu ruhig. Der etwas eigenwillige Geschäftsführer führt den Club mit eiserner Hand so wie er es für richtig befindet. Innovationsgefahr oder gar Neuanstrich droht keiner, dafür ist man wohl zu starrsinnig. Aber immerhin reißen sich die Nachwuchs Djs wieder darum am Flex-Dach auflegen zu können. Ein Hauch von Spätzeunzigern möchte man träumen, als das alte Schlachtroß mit seiner Punkversion noch Leitbild war.
Modewort Investor- der Kaufrausch der Reichen
Auf der anderen Seite (des Rings) hört man hingegen von kauflustigen Großinvestoren, die marode Clubs kaufen, um nach der Wiedereröffnung zum Big Player zu mutieren. Der „Platzhirsch“ etwa hat bereits eine neue Träger GesmbH im Firmenbuch stehen,gut möglich, dass rund um den Großclub „O“ ein neues Clubimperium heranwächst, das wohl versuchen wird, die betuchte Jungklientel im Abstand von ein paar hundert Metern zu bedienen. Ob derlei Großkapital der Clubkultur nutzt oder gar Nachhaltigkeit besitzt wird sich weisen, es müsste dazu endlich einmal wieder alles auf Hochtouren laufen, denn vielleicht vergeht der mehr oder weniger bestallten Jugend nach vielen Monaten Poolparty ja das Ausgehen und jeder hat seinen Club daheim im Garten oder im Wohnzimmer, arbeitslose Djs gibt es ja leider genug. Und auch Investoren werden Mitspracherecht einfordern, schliesslich geht’s um Renditen.
Seeschlacht oder Sillschlucht
Die berühmt-berüchtigte Eigenverantwortung der Feiernden lässt hingegen langsam nach. In Innsbruck etwa gibt es die legendären Sillschlucht-Raves. Lustige Hippie Veranstalter lieferten sich dabei schon das eine oder andere spektakuläre Katz-und Maus Spiel mit der Polizei und fordern in Interviews Verständnis für die Raver ein. Daß dabei auch oft einige Besucher nicht mehr Herr ihrer Sinne waren, ist eine andere Geschichte. In Wien gibt es derlei Parties, von denen keiner reden oder schrieben darf auch. Sie tragen oft schöne Wortkreationen mit Liebe und Himmel und Leben.Doch die Promotoren sind scheu geworden, es steht viel auf dem Spiel und man will eigentlich nicht zu viele Menschen mit zu viel Energie. Daran ist ja auch das letzte Techno Picknick ein wenig gescheitert, doch das Event soll nun im August über die Bühne gehen.
Techno Entgleist und Merkwürdig
Tomagan und Fabiano waren auch Teil des Kreativteams für das Techno Picknick. Daneben sind sie grosse Fans von Open Airs und haben dies auch mit ihren Produktionen in der Vergangenheit bewiesen. Heute sind sie meine beiden Studiogäste. Tomagan steht als Head für das Kollektive Les Suspects Habituels und die Freeparty- Serie Techno Entgleist, die schon ziemlich jeden Club in Wien zum Brennen brachte (vor dem Lockdown), Fabiano für das Kollektiv „Merkwürdig“, welches vor allem am Cobenzl und im Sass aktiv war und ist. Wie immer wurde es lang, bunt und interessant.
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Die nächste Ausgabe gibt's in zwei Wochen, am 30. Juli.
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Im Gespräch mit Crazy Sonic:
Tomagan
Tomagan, DJ, Veranstalter
https://www.facebook.com/Tomagan
https://www.facebook.com/TechnoEntgeist
Fabiano
Fabiano, DJ, Veranstalter