Das New York der 90er Jahre ist euphemistisch formuliert ein hartes Pflaster. Man die höchste Mordrate des Landes, und innerhalb der Stadt sticht Brooklyn besonders heraus. In diesem Umfeld wächst der Junge, der einmal Notorious B.I.G. oder kurz Biggie werden sollte, als Christopher Wallace auf. Seine Mutter müht sich nach Kräften, ihren Sohn von der Straßen fernzuhalten, aber als Alleinerzieherin in einem Vollzeitjob ist das so gut wie unmöglich. Der Teenager Christopher setzt seinen behäbigen Körper erstaunlich zielstrebig in Bewegung, als er sieht, wie die Dealer in schicken Autos durch die Gegend fahren und sich alles leisten können, was für ihn weit weg scheint. Er beginnt ebenfalls mit dem Dealen.
Zur selben Zeit entdeckt er aber sein musikalisches Talent. Die Begegnung mit dem Jazzer Donald Harrison prägt ihn tief und eröffnet einen faszinierenden Blick darauf, woher der Rap-Flow von Biggie eigentlich stammt. Als Sean Combs alias P. Diddy auf Biggie aufmerksam wird, stellen sich bald erste Erfolge ein. In dieser Zeit wird es für seine Kumpels zur Gewohnheit, die Auftritte in den noch meist kleinen Clubs zu filmen. Die Doku greift u.a. auf diese Bilder zurück, und zeigt den Beginn seiner Karriere so hautnah wie noch nie.
Bewusst wenig erzählt sie über den Tod des Rappers am 9. März 1997. Wer sich dafür interessiert, kann sich anschließend die Serie "Unsolved: Tupac and Biggie" zu Gemüte führen, die 2018 erschienen ist. Ohne das Rätsel vollständig lösen zu können, streut sie massive Zweifel an der Lesart, dass die Ermordung von Biggie das Resultat der pubertär anmutenden Fehde zwischen den Hip-Hop-Szenen der Ost- und der Westküste ist. Bereits ein Jahr zuvor war der vermeintliche Rap-Konkurrent Tupac Shakur ermordet worden, der Verdacht wurde laut, dass die Täter im Umfeld von Biggie zu finden seien. Der hat das allerdings immer bestritten. Trotzdem wird er rund ein Jahr später nach einer Preisverleihung bei einem Drive-by-Shooting ebenfalls erschossen.
Die Serie Unsolved heftet sich auf die Spuren der Ermittler von damals, die nicht nur versuchen, das Geflecht aus Label-Mafia und Gangs zu entwirren, sondern auch einer Beteiligung des L.A. Police Department auf der Spur sind. Ganz gelöst wird dieses Rätsel wohl nie mehr werden. Eine Tatsache, die genauso viel zum Legenden-Status der beiden Rapper beiträgt, wie ihr Werk selbst.
Biggie: I got a Story to tell. Unsolved: Tupac and Biggie. Beide zu sehen bei Netflix. Johannes Rhomberg