Der 1960 geborene Maradona wächst in bitterer Armut in einem Slum in Buenos Aires auf. Als das Mega-Talent mit 15 Jahren Fußball-Profi wird, ist das für ihn auch ein Weg, seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen. In den kommenden Jahren wird er in Südamerika zum Superstar und weckt so das Interesse des großen FC Barcelona, der ihn 1982 verpflichtet. Dort läuft es allerdings ganz und gar nicht nach Wunsch. Verletzungspech und eine von ihm provozierte Massenschlägerei beenden das Engagement nach zwei Jahren.
Der SSC Napoli stemmt die damalige Rekordablöse von 24 Millionen Mark. Verhältnismäßig ist Maradona damit bis heute der teuerste Transfer aller Zeiten. Und sowohl für ihn als auch für Neapel ist es der Beginn einer Zeitenwende. Zum ersten Mal führt er den Klub zum italienischen Meistertitel, die Begeisterung in der Stadt ist so grenzenlos wie exzessiv.
Genauso exzessiv ist aber bald auch Maradonas Privatleben. Prostituierte, Kokain und durchgefeierte Nächte stehen an der Tagesordnung. An seiner Seite Mitglieder der Mafia, die ihn zusehends kontrollieren. Jeder in der Stadt weiß es, jeder schweigt. Bis er 1986 im Halbfinale der WM mit Argentinien gegen Italien gewinnt – in seinem Heimstadion in Neapel. Er wird zur Persona non grata, und die schützende Hand wird ihm entzogen. Wegen Drogenbesitzes verurteilt, verlässt er die Stadt bald darauf beinahe fluchtartig. Der Beginn des schmerzhaften Abstieges eines Idols.
Regisseur Asif Kapadia hat ein besonderes Faible für Stars, die an sich selbst gescheitert sind. Bereits vor vier Jahren hat er mit seiner Doku „Amy“ sehr einfühlsam das Leben von Amy Winehouse nachgezeichnet. In seiner ebenso faszinierenden Doku über Diego Maradona hat er sich auf dessen Zeit in Neapel konzentriert. Denn diese Phase ist es vor allem, die seiner Biographie diese unglaubliche Fallhöhe verleiht. Die Bilder machen spürbar, wie eine ganze Stadt in einen kollektiven Begeisterungstaumel verfällt, und warum der Fußballstar aus dem Slum dieser exzessiven Verehrung nicht gewachsen ist.
Es ist eine Geschichte, wie sie der heutige Fußball vielleicht gar nicht mehr schreiben kann. Zu abgeklärt sind seine Stars, zu abgeklärt aber auch die Fans, daran gewöhnt, dass ihr Star nach einer Saison vielleicht schon beim nächsten Club anheuert. Diese Vernünftigkeit kann man durchaus in Ordnung finden, zum tragischen Heldenepos braucht es aber eine Biographie von der Tragweite des argentinischen Fußballgotts.
Diego Maradona. Ab 6.9. im Kino. Johannes Rhomberg