Club Kultur | Folge #005
Wien, 4. Juni 2020
Heute bin ich zuerst im Kurzgespräch mit Gregor Imhof, dem Mitbetreiber des CLUB SASS neben Sebastian Schatz, über Hilfe für Clubs in Coronazeiten und mögliche Ideen, wie man als reiner Nachtclub überleben könnte.
Danach diskutiere ich mit Harald Reiterer über seine Agentur, die mögliche Zukunft von Großveranstaltungen in Wien, das schlechte Image derselben, Österreichs vertane Chance als Rave- und Festivalhochburg, absurde Gagen, horrende Summen und den festen Glauben, dass nach Corona wieder ein Weg zurück in die Clubs führt. Harald Reiterer ist Inhaber der Dj Agentur Blakksheep, Manager und Veranstalter diverser Brands. Seine erste Grossveranstaltung hätte diesen Mai in der Marx Halle über die Bühne gehen sollen, unter anderem mit den Star DJs Amelie Lens, Enrico Sangiulano und Dubfire.
Kein Koma, aber Tiefschlaf
Wien im Juni 2020: Die Stadt ist nach wie vor im Coronaschlaf, nicht mehr so komatös wie noch im März und April, aber immer noch dösend. Touristen fehlen, vielen Menschen fehlen Geld und Motivation. Schuldige sind schnell ausgemacht: Die Politik und ihre Verordnungen. Während man zwar wieder alles lockerte, erkannte man, dass das Geschäft trotzdem ausblieb. Bis 23 Uhr im Garten chillen und so tun, als wäre man auf einer Party, das interessiert nur wenige, viel zu wenige, wenn man dem Glauben schenken darf, was man so hört.
Demos oder Raves?
Am Wochenende fand auch die erste Demonstration „Let's Continue“ für die Erhaltung der Clubkultur statt, sie dürfte aber im Gegensatz zu Berlin wesentlich geordneter (einige hundert Besucher) über die Bühne gegangen sein, mit Ausnahme einiger deftiger Worte. Dort nämlich, im Mekka des Vergnügens fand am Wochenende auch eine - als Demo getarnte - Bootsparty statt. Am Landwehrkanal fanden sich in der Folge Tausende Menschen ein, ohne Maske und Abstand, tanzten fast schon zynisch vor einem Spital und scherten sich einen Dreck um irgendwelche regeln. Das trieb viele zur Weisglut. Anja Schneider etwa postete: „Das ist nicht meine Kultur“.
Hunderte "Partygäste" im Schlauchboot auf dem Landwehrkanal in Berlin
Hilferufe an die Politik
Rundum bilden sich nun Interessensgruppen, die alle eines eint: Man ist unzufrieden, daß man nicht planen kann. Die gesamte Nachtwirtschaft, also kleine und große Clubs und Bars schlingern derzeit zwischen Hoffen und Bangen: Wann geht es wieder weiter, wie geht es weiter, wer hilft uns? Es fehlt schlicht und ergreifend an klaren Konzepten. Dazu gesellen sich nun vermehrt ungeduldige Partytiger, denen es nicht schnell genug gehen kann und die alles dafür tun würden, um endlich wieder ungezügelt zu feiern, egal wieviel Vorschriften sie dadurch verletzen. Das Problem dürfte evident sein, es scheint ein gewisser Verantwortungsverlust damit einher zu gehen. Immerhin, ab 15. Juni geht es überall wieder bis 1 Uhr, im Juli sollen weitere Schritte folgen, ich werde berichten.
Eine Pop-Up Lösung?
Das Sass war immer schon der sympathischste Kleinclub der Stadt. Seit April suchen die Betreiber fieberhaft nach Lösungen, wie man den Nachtclub auch in Zeiten wie diesen attraktiv machen kann. Gregor Imhof ist ja auch Teil einer Interessensgemeinschaft von Gastronomen und versucht nun, etwas sinnvolles in diese schwierige Zeit zu pflanzen. Das Pop Up Konzept wird bald spruchreif, auch darüber halte ich hier am Laufenden.
Großraves und Horrorgagen
Als letztes wieder geöffnet werden wohl Großevents, egal in welcher Form. Große Raves sehen im Moment noch weniger Land als viele andere, was natürlich ein immenser Umsatzverlust für alle Beteiligten ist. Djs, die bisher in Saus und Braus lebten, müssen umdenken. Wien war ja dereinst eine Hochburg für qualitative Grossevents, irgendwann haben diverse Faktoren dazu geführt, dass die Klientel schlechter und bei den Produktionen an der falschen Stelle gespart wurde. Somit wurde das Ausgehen mit dem Makel des Unreifseins und dem Nicht- Erwachsen-Werden-Wollen assoziiert. Das ist in anderen Ländern und Kulturen durchaus anders. Leider hat es aber auch einen starken Konnex zur Vermögenssituation der Beteiligten: Wer Geld hat, fliegt dorthin, wo es glänzt, wer keines hat, muss arbeiten und sparen. Dies führte auch zu einer immer grösseren Dj Blase, die nur mehr ein gewisses Publikum bediente. Dazu kam, dass Djs mittlerweile mehr können müssen, als nur Aufzulegen. Performen, Sich Bewegen Können, Ständig auf Instagram präsent sein sind weit wichtiger geworden, als die Musikselektion. Vor dem Lockdown war der Peak erreicht, wie es nun weitergehen könnte, das habe ich versucht mit meinem alten Weggefährten Harald Reiterer ein wenig zu beleuchten. Wir waren und sind uns da nicht immer einig, aber das mag ja auch das Spannende an dem Diskurs sein, der nie zum Disput ausartete.
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Die nächste Ausgabe gibt's in zwei Wochen, am 18. Juni, Euer Rudi.
Im Gespräch mit Crazy Sonic:
Harald Reiterer
Gründer und CEO @ BLAKKSHEEP global talent agency
https://www.instagram.com/haraldreiterer_/
https://www.facebook.com/Harald.Connect2
Gregor Tom Imhof
Managing Director @SASS Music Club
https://www.facebook.com/sassmusicclub
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