Rollenreportagen machten esihm möglich, nicht von außen, sondern von innen den AlltagBenachteiligter zu schildern. Dabei war die gesamte Monarchie seinEinsatzgebiet. Recherchen führten ihn in die Industriegebiete derSteiermark, zu den mährisch-schlesischen Webern oder den böhmischenFabrikarbeitern. Der Journalismus, wie Max Winter ihn verstand, istnicht bloss Schreib(tisch)arbeit. Obwohl er seine Artikel akribisch mitwissenschaftlichen Ergebnissen, Statistiken und amtlichenSozialberichten, Akten und Archivmaterial untermauerte, sicherten seineunkonventionellen Vor-Ort-Recherchen qualitative Standards, die nichtsan Gültigkeit verloren haben. Seine Verkleidungen und das unerkannteEinschleichen in fremde Milieus, der maskierte Gang in die Welt dergesellschaftlichen Aussenseiter und Unterdrückten, ließen Max WinterElend und Unrecht unmittelbar am eigenen Leib spüren. Er wählte diesenWeg, um nach der Überwindung von Recherchebarrieren in Terrainsvorzudringen, die dem Journalisten verwehrt geblieben wären. DieEnthüllung von Missständen gelang durch Verkleidung. Was die »Muckraker«in den USA taten, leistete Max Winter, methodisch ein Wallraff derk.u.k. Monarchie, in Wien: Er beschrieb die inoffizielle Realität derGroßstadt, den Alltag der niederen sozialen Schichten der Monarchie vonunten.
Montag, 09 Juli 2018 08:16
expeditionen ins dunkelste wien
Autor: Max Winter
erschienen im picus Verlag
Für den Blick von »ganz unten« begab sich der Wiener Journalist MaxWinter vor hundert Jahren in die Welt der Wiener Elendsklasse. SeineSozialreportagen zeigten Wirkung. Er ließ sich als Obdachloserverkleidet ins Polizeigefängnis werfen, arbeitete als Statist in derHofoper, als Kulissenschieber im Burgtheater und als »Schreiber beiHarry Sheff«, einer Kolportageromanfabrik.
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