Die Vorstellungen davon, wie das Weihnachts-Fest auszusehen hat, sind erstaunlich verschieden und haben sich im Laufe der Zeit deutlich verändert. Im deutschsprachigen Raum steht oft das Christkind im Mittelpunkt. Entstanden ist diese Figur in der Zeit der Reformation: weg vom heiligen Nikolaus als Gabenbringer, hin zu einer eher „himmlischen“, abstrakten Gestalt. Da dies schwer darzustellen war, wurde es irgendwann mehr zu einem Wesen mit goldenen Löckchen und Flügeln. Bei manchen sieht die Tradition so aus: ein klingelndes Glöckchen, brennende Kerzen am Baum, Geschenke unterm Baum, eine Überraschung…dieses Christkind. Eine Figur irgendwo zwischen Engel, Tradition und manchmal liebevoll inszeniertem Familiengeheimnis.
Daneben tritt auch der Weihnachtsmann auf, sowie sein international enger Verwandter Santa Claus. Die Wurzeln führen über mehrere Stationen: In den Niederlanden bringt nämlich der heilige Bischof Sinterklaas die Geschenke. Niederländische Auswanderer nahmen diese Figur mit in die USA, aus „Sinterklaas“ wurde in der englischen Sprache „Santa Claus“. Literatur und Illustrationen gaben ihm nach und nach den vertrauten Look. Natürlich nicht ohne einen weiteren, sehr einflussreichen Faktor: die Werbung. Die große Kunst des Marketings ließ schon bald ihre Wunder wirken.
Besonders die Coca-Cola-Kampagnen prägten das Bild des freundlichen Mannes im roten Mantel mit dichtem, weißem Bart und gutmütigem Lächeln. Der Weihnachtsmann wurde nicht von Coca-Cola erfunden, aber diese Bilder sorgten maßgeblich dafür, dass er weltweit fast überall gleich aussieht. Also ein Weihnachts-Global Player, grafisch sauber durchdesigned.
Rund um diese Figuren hat sich eine ganze Landschaft an Bräuchen gebildet: Adventkränze und -kalender, Christbäume, Kekse backen, Punsch, Christkindlmärkte, Wunschzettel, das große Festessen und die ein oder andere Diskussionen darüber. Dazu kommt natürlich noch eine ganz eigene Weihnachtsökonomie: Rabattwochen, Paketstapel, Innenstädte, die gelegentlich eher an Pop-up-Lagerhallen der Konsumgesellschaft erinnern als an „Stille Nacht“. Selbst die Musik ist Teil dieses Systems: Der Song „All I Want For Christmas“ bringt Mariah Carey Schätzungen zufolge jedes Jahr rund 2,5 bis 3 Millionen Dollar an Tantiemen ein, allein dafür, dass er in dieser Zeit rauf und runter läuft. Not bad, Mariah, not bad.
Weihnachten ist eben auch ein beachtlicher saisonaler Umsatzmotor. Zwischen Lichterglanz und Lieferdiensten liegt oft nur ein Klick. Gleichzeitig gilt: Nicht alle feiern Weihnachten. Aus verschiedensten Gründen. Viele Menschen folgen anderen Religionen oder sind garnicht erst gläubig. Der Dezember kann auch einfach von Arbeit, Studium oder Alltag bestimmt sein, wie jeder andere Monat auch. Andere tun sich vielleicht schwer mit den Erwartungen an dieses Fest und betrachten den 24. ganz nüchtern als einen Abend unter vielen, vielleicht mit eigener kleiner Routine, ganz ohne Baum, ohne Bescherung, ohne Geschenke vielleicht auch ohne Drama.
Für manche ist diese Zeit besonders herausfordernd: Überall wird einem das Bild eines Familienfestes aufgedrängt, einer Zeit der Liebe und des Zusammenseins. Nun unser aller Leben sieht vielleicht garnicht so aus. Und genau deshalb prägen oft Themen wie Verlust, Streit oder Gefühle der Einsamkeit und Angst diese, ach so besinnliche Zeit im Jahr. Der Kontrast zur allgegenwärtigen „frohen Botschaft“ ist dann oft schmerzhaft. Auch für Frauen steigt zu dieser Zeit das Risiko häuslicher Gewalt, weil Stress, hohe Erwartungen, mehr Zeit Zuhause, mehr Alkohol und fehlende Rückzugsmöglichkeiten bestehende Konflikte verschärfen. Auf Werbeplakaten herrscht Harmoniegarantie, im echten Leben ist das nicht immer so. Es ist eben nicht für alle the Most wonderful time of the year - und auch das gilt es zu respektieren und gerne mal sensibler zu behandeln.
Vielleicht lässt sich die Weihnachtszeit ja am ehesten als Gemeinsamkeit der Unterschiede beschreiben. Für einige bedeutet sie Christkind, Krippe und Mitternachtsmesse. Für andere: Weihnachtsmann, Santa Claus, Filme, Geschenke. Viele nutzen die freien Tage für Schlaf, Serien oder schlichtweg Ruhe. Und für wieder andere bleibt es tatsächlich einfach „nur ein Datum im Dezember“.
Zwischen Christkind, Sinterklaas, Santa und Weihnachtsmann bleibt am Ende eine leise aber vielleicht progressive Idee: Es darf Raum für Alles geben. Für Tradition oder Bruch mit Tradition, für laute Feste oder stille Tage, Weihnachtsfans, Zweifelnde und Nicht-Glaubende. Die Figuren und Bräuche entwickeln sich mit der Zeit vielleicht weiter, die Zahlen im Kalender bleiben gleich. Was daraus entsteht, bleibt so vielfältig wie die Menschheit selbst. Unabhängig davon, wie wir also diese Weihnachts-Tage gestalten, vielleicht ist es ein guter Anlass sich daran zu erinnern, dass wir nicht nur durch Geschenke oder große Feste verbunden sind, sondern vor allem durch Menschlichkeit.

