Der gelernte Augenoptiker Rudy van Gelder beginnt einige Jahr zuvor, Anfang der 50-er, Aufnahmen von Musikern aus der Umgebung zu machen. Van Gelders technischer Verstand und seine Liebe zum Jazz treiben ihn an bei der Suche nach dem idealen Sound.
Als einer der ersten Amerikaner verwendet er das legendäre Mikrofon U-47 der deutschen Firma Neumann. Er platziert es direkt vor dem Solo-Instrumentalisten anstatt wie üblich weiter im Raum. Doch das produziert erst massive Verzerrungen. Ein Bekannter von ihm modifiziert die Schaltkreise des Mikrofons. Nun kann er ein Instrument aus nächster Nähe mit allen spielerischen Feinheiten aufzeichen. Diese Aufnahmetechnik wird zu einem wesentlichen Merkmal des Blue Note Sounds.
Ab Mitte der 50-er Jahre schickt Alfred Lion alle seine Musiker zu den Aufnahmen nach Hackensack. Zum Beispiel Horace Silver und seine Jazz Messengers, die 1954 ihr Debüt-Album in dieser Formation aufnahmen, ein erster Meilenstein des Hard Bop. Auch das großartige Album Afrocuban von Trompeter Kenny Dorham ist in Hackensack aufgenommen worden.
1959 baut Rudy van Gelder dann sein eigenes Studio in dem kleinen Örtchen Englewood Cliffs, ganz in der Nähe von Hackensack. Er lässt sich dafür von dem berühmten Columbia 30th Street Studio in New York inspirieren, das in einer ehemaligen Kirche situiert war. Mit seinen zwölf Meter hohen, gewölbten Decken, die von Holzbalken getragen werden, erinnert das Englewood Cliffs Studio selbst stark an eine Kirche. Das hört man auch dem Sound an, der nach wie vor klar und direkt bleibt, aber mit einem Raum im Rücken, der ihm eine beinahe sakrale Aura verleiht.
Hier zum Beispiel Grant Greens Version Round about Midnight:
Der Sound hat also einen wesentlichen Anteil am Mythos Blue Note. Ein Sound, der ohne das Genie von Rudy van Gelder nicht denkbar gewesen wäre.
Johannes Rhomberg